Lazarus – „nur“ ein Freund Jesu

Wenn du gefragt werden würdest: Welche biblische Person ist dir ein Vorbild? Oder welche biblische Person hatte zu Gott/zu Jesus eine gute Beziehung? Was würdest du antworten? Vielleicht Paulus, David, Nehemia, Mose oder Petrus? Ich schätze, auf diese beiden Fragen würde kaum jemand mit Lazarus antworten. Warum? Wahrscheinlich, weil er nur in zwei Kapiteln der Bibel auftaucht. In Johannes 11 und 12. Und weil wir von keinem Wort und keiner Tat lesen. Sprich: Wir wissen so gut wie nichts über ihn. Außer, dass er der Bruder von Maria und Marta war und ein freundschaftliches Verhältnis zu Jesus hatte. Dreimal wird in Johannes 11 erwähnt, dass Jesus ihn lieb hatte. Und nachdem er gestorben war, sprach Jesus in Johannes 11,11: Lazarus, unser Freund, schläft, aber ich gehe hin, ihn aufzuwecken. Und als man ihn zu dessen Grab geführt hatte, kamen ihm die Tränen, so dass die umstehenden Juden sagten: Siehe, wie hat er ihn lieb gehabt.

Von keiner anderen Person im Neuen Testament, außer von seinem Jünger Johannes, wird spezifisch berichtet, dass Jesus sie lieb hatte. Und von keiner anderen Person wird berichtet, dass Jesus wegen ihr geweint hatte. Die Freundschaft zwischen Lazarus und Jesus war etwas ganz besonderes. Warum wissen wir leider nicht. Lazarus war keiner der zwölf Apostel, er war keiner, der irgendetwas „geleistet hat“ oder nach Jesu Tod und Auferstehung ein Amt in der Urgemeinde innehatte. Wir lesen nichts mehr von ihm. Lazarus war einfach „nur“ ein Freund Jesu.

Wie gerne wüsste ich mehr über diese Freundschaft. Wie haben sie sich kennen gelernt? Über was haben die beiden gesprochen? Über was gelacht? Was haben sie unternommen? Mir tut es gut, solchen Fragen nachzugehen, weil dadurch Jesus „menschlicher“ wird. Auch er hatte – ja vielleicht sogar brauchte – Freunde um sich herum. Menschen, mit denen er einfach etwas unternehmen konnte, mit denen er über Gott und die Welt sprechen und herzhaft lachen konnte, bis die Tränen flossen. Freunde außerhalb seines Dienstes. Wie hätte wohl Lazarus Jesus in einem Evangelium dargestellt? Wie hätte er von ihm gesprochen? Was hätte er uns überliefert? Welche Begebenheiten, welche charakterlichen Seiten von Jesus? Welche Worte und Taten? Aus der Perspektive eines Freundes?

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr möchte ich auch ein Freund von Jesus sein. Möchte ich, dass Jesus mir zum Freund wird. Mit dem ich lachen und weinen kann. Mit dem ich unbeschwert reden kann: über alles, was mich bewegt. Über ganz normale, alltägliche Dinge. Ich möchte mir neu bewusst machen, dass es Jesus nicht um fromme Leistungen geht, sondern um eine Freundschaft. So bezeichnete er in Johannes 15 auch seine Jünger: Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid.. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid…

Und eine Freundschaft darf und soll wachsen. Eine Freundschaft kann stärker und reifer werden. Eine Freundschaft ist nichts Stetiges, nichts Eingefahrenes, sondern etwas Dynamisches und Lebendiges. Eine Freundschaft hat Höhen und Tiefen. In einer Freundschaft gibt es Zeiten, die sehr intensiv sind, dann aber auch Zeiten, wo man aus verschiedenen Gründen seltener in Kontakt ist, ohne sich aber aus den Augen zu verlieren. Eine Freundschaft ist lebenswichtig und lebenserfüllend.

Und das Freundschaftsangebot Jesu ist wohl eins der größten Geschenke, die er uns machen kann.

Thomas Wenk